Woher kommt der Rassismus?

Woher kommt der Rassismus?

9. März 2020

Sind Sie Rassist*in? Diese Frage werden die meisten wahrscheinlich verneinen. Schließlich stammt Ihre beste Freundin doch aus Kenia, Sie unterhalten sich ja jeden Tag nett mit dem Syrer aus der Wohnung gegenüber und Sie essen gerne Döner. Aber haben Sie eine Person anderer Hautfarbe schon einmal gefragt, wo sie denn herkommt (und nicht mit der Antwort „Na, aus Bielefeld“ gerechnet)? Haben Sie sich insgeheim über die vielen Ausländer*innen in der U-Bahn gewundert? Bestehen Sie auf Ihren Mohrenkopf und Ihr Zigeunerschnitzel („Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“)? Haben Sie schon einmal die Straßenseite gewechselt, als Ihnen eine Gruppe junger Migranten entgegenkam? Hätten Sie das auch bei weißen Männern getan?

Es soll hier nicht um rechten Terror gehen, um Menschen, die ihre Mitbürger*innen ermorden, nur weil diese anders aussehen. Aber wir leben in einem Land, in dem mehr als 12 Prozent eine Partei wählen, die sich „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“, „Deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus“ und „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ ins Grundsatzprogramm geschrieben hat. Allein das sollte uns Anlass geben, die eigenen Motive und Werte zu hinterfragen. Habe ich Vorurteile – bewusst oder unbewusst?

Der Alltagsrassismus   

Eigentlich sollte dieser Artikel nicht zu politisch werden – trotzdem muss ich hier unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel erwähnen, die nach dem Integrationsgipfel im März 2020 den alltäglichen Rassismus in den Deutschland beschrieb: „Muss jemand in Deutschland, der schwarz ist, immer beweisen, dass er integriert ist? Oder ist er per se nicht integriert, weil er zu einer Minderheit gehört in der Hautfarbe? […] Und immer ist die erste Frage: Wo kommst'n du eigentlich her?“ Sie selbst habe in der vierten Generation einen Migrationshintergrund. Trotzdem frage sie keiner, ob sie denn integriert sei – aufgrund ihrer weißen Hautfarbe.

Tatsächlich sind People of Color in ihrem Alltag in Deutschland oft mit Rassismus konfrontiert. Das kann die Frage nach der „richtigen“ Heimat sein, selbst, wenn die Familie schon seit Generationen in Deutschland lebt. Sicher steckt dahinter oft ernsthaftes Interesse, aber die Frage impliziert auch, dass Menschen anderer Hautfarbe nie wirklich nach Deutschland gehören – ihre Heimat muss woanders sein. Es sind auch die vermeintlichen Komplimente à la „Du sprichst aber gut Deutsch“, die abwertenden Blicke in der U-Bahn oder rassistische Darstellungen in den Medien, die People of Color in ihrem täglichen Leben belasten. Und es sind ganz konkrete Probleme: Diskriminierung bei der Suche nach einer Wohnung, einem Job oder einem Ausbildungsplatz zum Beispiel. All das mag den Täter*innen gar nicht bewusst sein – die Betroffenen aber leiden trotzdem darunter.

In jedem steckt ein*e Rassist*in

Es ist also wichtig, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen. Denn jeder von uns hat irgendwelche Vorurteile. Wir tendieren ganz automatisch dazu, die Menschen in verschiedene Gruppen einzuteilen und uns dabei selbst aufzuwerten. Das stiftet Identität und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Verstärkt werden diese Ressentiments durch unsere Sprache: Flüchtlingskrise, Fremdenfeindlichkeit oder Ausländer – alles Wörter, die die gefühlte Spaltung nur verstärken. Und auch die Medien tragen ihren Teil bei. Kriminelle Einwanderer*innen sind eben eher eine Meldung wert als friedliche, gut integrierte Migrant*innen, die hier ein ganz normales Leben führen. Solche Bilder setzen sich im Kopf fest und prägen unser Weltbild.

Die meisten von uns – ich zähle mich dazu – entwickeln so unbewusste Vorurteile. Diese lassen sich sogar messen. Der Implizite Assoziationstest (IAT) untersucht die Stärke der Assoziation zwischen verschiedenen Elementen, zum Beispiel zwischen weißer und schwarzer Hautfarbe und positiven und negativen Begriffen. Den Test können Sie an der Harvard Universität selbst online durchführen.

Text: Anna Rüppel

Geschlechtergerechtigkeit gehört zu den Grundsätzen unseres Unternehmens. Sprachliche Gleichbehandlung ist dabei ein wesentliches Merkmal. Für den diskriminierungsfreien Sprachgebrauch verwenden wir in Texten den Gender Star bei allen personenbezogenen Bezeichnungen, um alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einzuschließen. Versehentliche Abweichungen enthalten keine Diskriminierungsabsicht.
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