Integration gelungen! Die bewegende Geschichte einer syrischen Familie
Mit Unterstützung der Euro-Schulen Zwickau, insbesondere durch den Fachbereich Deutsch & Integration und das Projektteam der Arbeitsmarktmentor*innen im Landkreis Zwickau, gelang es einer syrischen Familie, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Ihre Flucht, ihr Ankommen und ihre erfolgreiche Integration in Deutschland haben sie in einem Musikvideo verarbeitet.
Wie es dazu kam …
Angekommen in Deutschland
Am 15. September 2014 ist Yousef A. in Deutschland angekommen – nach langer Flucht vor dem Krieg und dem Kriegsdienst endlich in Sicherheit! Frau und Kind mussten in der Türkei zurückbleiben, da der strapaziöse Weg zu viele Gefahren für ein Baby birgt. Einsamkeit, Stress – aber noch am Leben, mit der Hoffnung und dem festen Willen, sich ein Leben in Deutschland aufzubauen.
Zahlreiche Fragen und Hürden bauten sich vor ihm auf: wie will er leben, was ist als nächstes zu tun, was ist mit seiner Familie, wie will er seine Zukunft finanzieren?
Wichtige Schritte: Deutschlernen & berufliches Ziel definieren
Nachdem Yousef den Traum vom Musikstudium – trotz intensiver Unterstützung durch Freunde – loslassen musste, weil das Abiturzeugnis auf der Flucht verloren gegangen war und ohne das ein Studium in Deutschland nicht ohne weiteres möglich ist, galt es, neue Ziele zu setzen. Die Entscheidung, seine Liebe zur Musik auf Hobbyebene zu belassen, war für Yousef A. unsagbar schwer. Er nennt es seinen persönlichen „verlorenen Krieg“.
Aber aufgeben war keine Option für Yousef. Der erste wichtige Schritt: die deutsche Sprache erlernen! Der zweite Schritt: Hilfe für eine berufliche Perspektive suchen.
Beruflich desorientiert folgte eine intensive Phase des zielgerichteten Deutschlernens und der gleichzeitigen beruflichen Orientierung. Er sagte mit einem Lächeln: „Alle Türen in die Zukunft brauchen einen Schlüssel. Und dieser Schlüssel heißt hier Deutsch.“ Nach erfolgreich bestandener Sprachniveauprüfung B1, die Yousef an den Euro-Schulen Zwickau ablegte, konnte er mit Unterstützung des Jobcenters Zwickau an den Euro-Schulen Zwickau in einen Deutschkurs mit Sprachniveau B2 einsteigen.
In dieser Phase hatte er bereits Kontakt zu den Akteur*innen des Projekts „Arbeitsmarktmentoren für Geflüchtete im Landkreis Zwickau“ aufgenommen, um gemeinsam mit diesen die nächsten Ziele zu entwickeln. Nun hieß es immer wieder Berufsbilder checken, Berufe vor Ort kennenlernen und diese auf persönliche Eignung prüfen.
B2 Prüfung bestanden – Ausbildungsplatz gefunden
November 2017 – das Ergebnis der B2 Prüfung lag vor: bestanden! Bereit für den nächsten Schritt nahm der junge Familienvater am Projekt „Arbeitsmarktmentoren für Geflüchtete im Landkreis Zwickau“ teil. Dort hatte Yousef die Chance, verschiedene Branchen und Berufsbilder kennenzulernen und ein neues berufliches Ziel zu definieren. Yousef wollte, wie schon mit seiner Musik, etwas Gutes für andere Menschen tun – die Hilfe, die er bekommen hatte, auf andere Weise wieder zurückgeben. Nach einer intensiven Orientierungsphase hatte Yousef gemeinsam mit den Arbeitsmarktmentor*innen einen passenden Ausbildungsberuf gefunden.
Das neue berufliche Ziel: Eine Ausbildung zum Orthopädiemechaniker. Durch ein Praktikum in einer Firma für Reha- und Orthopädietechnik in Werdau stand schnell fest: Das ist es! Der dortige Niederlassungsleiter bot ihm ab März 2018, mit Unterstützung durch die Berufsberatung der Agentur für Arbeit Zwickau, eine Einstiegsqualifizierung zur Vorbereitung auf die Ausbildung an. Die sechs Monate Einstiegsqualifizierung haben beiden Seiten gutgetan, sowohl Yousef A. als auch den Mitarbeiter*innen der Firma. Kennenlernen der Anforderungen, Erlernen des Fachvokabulars, Ausräumen der Skepsis der Kolleg*innen, vor allem bezüglich der Verständigung, funktionierten in der familiären Atmosphäre der Werkstatt ausgezeichnet. Seine damalige Meisterin meinte: „Es hat sich beizeiten herausgestellt, dass er will, sich auch mit eigenen Ideen einbringt. Und die Kommunikation klappt ohnehin“, so im Artikel „Hallo Yousef“ in der Zeitschrift Grenzenlos, Dezember 2018, zu lesen. Im Juni 2018 bekam Yousef den Ausbildungsvertrag zum Orthopädietechniker mit dem Ziel, im Sommer 2021 seine Abschlussprüfung zu absolvieren.
Die Zwischenprüfung im Sommer 2020 hat er mit Bravour bestanden, zum Teil sogar mit besseren Ergebnissen als seine deutschsprachigen Mitlehrlinge aus anderen Firmen.
Familienzusammenführung – eine Herausforderung
Das berufliche Ziel fest fixiert, fehlte ihm doch noch ein wichtiger Teil seines Lebens – seine Frau und seine Tochter. Die letzten drei Jahre der Entwicklung seiner Tochter konnte er nicht miterleben. Der Antrag auf Familiennachzug gestaltete sich zäh. Im März 2017 bekam er endlich die erlösende Nachricht, dass seine Frau Hivan und seine Tochter ein Visum nach Deutschland ab April 2017 erhalten werden. Was für ein überwältigender Moment, als sich die junge Familie im April 2017 in endlich wieder in die Arme schließen konnte! Schnell standen neue Herausforderungen an.
Für Saya galt es schnell einen Kindergartenplatz zu finden, was schon nach einer kurzen Wartezeit gelang. Nach nur drei Monaten konnte die kleine Tochter bereits sehr gut Deutsch sprechen, da auch zu Hause viel Deutsch gesprochen wird. Im September 2020 kam sie in die Schule – stolz trägt sie ihren Schulranzen, begleitet von ihrer glücklichen Mutter.
Sprachliche und berufliche Starthilfe für Hivan
Hivan wollte ihrem Mann und ihrer Tochter beim Erwerb der deutschen Sprache nicht nachstehen. Zügig und konzentriert erwarb sie bereits im August 2018 die Sprachniveaustufe B1 an den Euro-Schulen Zwickau. Aufgrund der guten Erfahrungen ihres Mannes, wandte auch sie sich an die Arbeitsmarktmentorinnen.
In ihrem Herkunftsland war Hivan Grundschullehrerin. Beruflich wollte sie gern daran anknüpfen. So organisierte die Arbeitsmarktmentorin Frau Ermischer gemeinsam mit dem Jobcenter ein vierwöchiges Praktikum in einer Zwickauer Kindertagesstätte. Die dortige Leiterin hätte sie sofort als Mitarbeiterin behalten, doch es fehlte der staatlich anerkannte Abschluss. Damit waren die nächsten Ziele gesetzt: Sprachniveaustufe B2 und Berufsabschluss.
Parallel dazu wurde die Anerkennung des aus Syrien mitgebrachten Studienabschlusses beantragt. Dabei war die Zusammenarbeit von Arbeitsmarktmentorin, Jobcenter, Landesamt für Schule und Bildung und dem zuständigen IQ-Netzwerk sehr hilfreich. Im Oktober 2019 konnte Hivan mit Unterstützung des Jobcenters die Ausbildung zur „staatlich anerkannten Erzieherin“ beginnen. Ein gesundheitlicher Schicksalsschlag führte im Februar 2020 zur Unterberechnung der Ausbildung, die sie gerne nach ihrer Genesung fortsetzen möchte.
In einem Musikvideo erzählen Yousef und Hivan ihre Geschichte
Wie geht man mit einer solchen Vielzahl von bedrückenden, bewegenden und herausfordernden Erfahrungen um: Krieg, Flucht, Neustart in einem fremden Land, Trennung der Familie? Wie verarbeitet man eine derartige emotionale Achterbahnfahrt?
Die Musik ist ein gemeinsames Hobby der Familie, das ihnen schon durch schlimme Zeiten und Schicksalsschläge geholfen hat. Ihre Geschichte über die Flucht, die Familienzusammenführung, das Ankommen und die Integration auf allen Ebenen in Deutschland haben die beiden in einem gemeinsamen Musikprojekt zusammen mit Mathika Productions verarbeitet. Dabei hat Yousef komponiert und Gitarre gespielt und Hivan den Text geschrieben und gesungen.
Diese Eigenproduktion haben sie auf YouTube veröffentlicht. Nehmen Sie sich bitte die Zeit und lassen Sie sich auf diese musikalische Reise mitnehmen. Hier können Sie sich das Musikvideo auf YouTube ansehen.
Dieses Musikprojekt wurde auf Grundlage der Richtlinie „Integrative Maßnahmen“ aus Mitteln des Freistaates Sachsen gefördert.
Produktion & Mix: Colorful Strings & Mathika Productions Komponisten: Yousef A. & Mathika Text: Douglas Greed (Mario Willms) Vocals: Colorful Strings (Yousef A. & Hivan S.) Instrumentals: Yousef A. & Reiner Schottstedt Kamera & Schnitt: proVideo-glauchau Planung & Organisation: Sandra Leitholdt & Sebastian Helbig
Besonders bedankt sich die Familie bei den beiden Deutschlehrerinnen Frau Kuban und Frau Heinz sowie der Arbeitsmarktmentorin Frau Ermischer.
Die Euro-Schulen Zwickau stehen weiterhin in engem Kontakt zur Familie – mit ESO gemeinsam prüfen wir die Möglichkeit von gemeinsamen Aktivitäten.
Text: Katrin Herold
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