Kunst kommt von Können
Nein, mit der deutschen Sprache klappt es leider noch nicht so gut. Khalil Saliani ist ein schüchterner Mensch, er zieht lieber einen Teilnehmer aus seinem Deutschkurs zur Übersetzung der Fragen ins Persische hinzu. Dozentin Constanze Sbosny findet das zwar keine gute Idee und ermutigt ihn, es selbst zu probieren, aber was den 41-Jährigen bewegt, bringt er lieber durch sein künstlerisches Schaffen zum Ausdruck. Zumal der Unterricht im Integrationskurs gerade beendet ist und die Hausaufgaben für ihn und seine vierzehn Mitstreiter noch gut lesbar an der Tafel stehen. Da lässt Frau Sbosny nicht locker.
Ein ganz besonderer Zugang zur deutschen Kultur
Khalil geht in eine der hinteren Bankreihen und rollt ein plakatgroßes Blatt Zeichenkarton aus. Wen er darauf in Pastellfarbe und Kohle dargestellt hat, erkennt jeder, der einmal über die „Gretchenfrage“ nachdenken musste, „des Pudels Kern“ auf die Schliche kam, das „Heidenröslein“, den „Osterspaziergang“ oder „Zauberlehrling“ vollmundig vor seinen Schulkameraden zum Besten geben musste: Johann Wolfgang von Goethe – das Universalgenie. So nennt man den, im Jahre 1782 Geadelten, bis heute.
Das Werk eines Künstlers
Das Portrait von Goethe ist bekannt, ein Klick in die digitale Internetwelt und man findet es. Nichts anderes hat Khalil gemacht. Allerdings griff er dann zu Papier und Pinsel, um den Dichter und Denker von einer Miniatur abzuzeichnen. Dass er dabei mit einem Naturtalent ausgestattet wurde, ist beim Betrachten offensichtlich. In nur drei Tagen stellte er das Werk fertig, neun Stunden arbeitete er insgesamt daran, berichtet Khalil leise und zurückhaltend. Seiner Liebe zur angewandten Kunst gab er erst vor vier Jahren eine Chance. Als Junge beschäftigte er sich mit Kalligraphie. In seiner Heimat, dem Iran, hatte der kreative Kopf aber bereits erfolgreich Zeichnungen für eine Werbeagentur entworfen.
Weitere Projekte geplant
Auf Goethe sollen nun noch weitere Größen der deutschen Literatur und Philosophie folgen: Lessing, Schiller, Nietzsche – diese Portraits möchte er später ausstellen. Nach den Sommerferien und sobald Khalil ein Zeichen gibt, wird es möglich sein, seine Werke in den Euro-Schulen Chemnitz zu besichtigen.
Wer vorab schon einmal in die persische Kultur eintauchen und Khalil Salianis Werke sehen möchte, die sich in verschiedenen Reliefs und Gegenständen wie einer alten Dampflok widerspiegeln, ist herzlich eingeladen: Am 28. Juni 2018 eröffnet das iranische Restaurant „Shaparak“ – Schmetterling in der deutschen Bedeutung – auf dem Getreidemarkt in Chemnitz.
Was an der Wand im Restaurant auf Persisch geschrieben steht, ist dieses Gedicht:
Wo immer ich auch bin:
Ich bleibe unterm gleichen Himmelszelt.
Niemand kann mir die Luft nehmen, die ich atme
Oder den Blick, den ich aus dem Fenster werfe
Oder den Boden, auf dem meine Füße stehen.
Meine Liebe und meine Gedanken gehören mir allein.
Warum bewundern wir Pferde, preisen Tauben,
Beachten aber den Geier nicht?
Vielleicht müssen wir bloß unsere Augen öffnen.
Wo auch immer wir zum Himmel schauen:
Er hat doch keine Grenzen, nirgendwo.
Warum betonen wir immer nur das, was uns trennt?
Lasst uns die Welt mit anderen Augen sehen!
Hinweis zur Gender-Formulierung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text nur eine Form. Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen meint die gewählte Formulierung stets alle Geschlechter und Geschlechtsidentitäten.